Ein Zeitzeuginnen*projekt für Frauen der Dritten Generation Ost
1989/90 wandelte sich nicht nur ein wirtschaftliches System vom
Sozialismus zum Kapitalismus, sondern auch die Lebenswelt aller Menschen der
DDR dramatisch. Gerade im diesjährigen Jubiläumsjahr des sogenannten Mauerfalls
scheint die Auseinandersetzung mit der 1989/90 einsetzenden Transformationszeit
und der Erfahrung beschleunigten Umbruchs, den viele in ihr gemacht haben,
dringlicher denn je zu sein.
Da inszenieren sich einerseits selbsternannte Patriotische
Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes (Pegida) als in der
Tradition der Montagsdemonstrationen der Friedlichen Revolution stehend. Andererseits
spielt die Transformation 1989/90 häufig eine wichtige Rolle in den
verschiedenen Erklärungen des Phänomens Pegida selbst bzw. des ostdeutschen
Rechtsextremismus allgemein. Gleichzeitig erlebt sich eine nicht unerhebliche
Anzahl an Menschen angesichts einer zunehmenden Ausdifferenzierung der
Gesellschafft, der Globalisierung, eines in den verschiedensten Bereichen
stattfindenden Wertewandels oder weltweiter Krisensituationen und
einhergehender Migration gegenwärtigen Umbruchserfahrungen ausgeliefert, denen
sie auch (und gerade) ihren Selbstbeschreibungen zufolge überfordert
gegenüberstehen.
Mit Blick auf die geschilderte Problematik will das Frauenstadtarchiv
Dresden mit einem Zeitzeuginnen*projekt eine Gruppe von Frauen* in den Blick
nehmen und öffentlich sichtbar machen, die in der wissenschaftlichen Forschung
sowie der gesamtgesellschaftlichen Wahrnehmung nur wenig Berücksichtigung
findet, der jedoch in der wissenschaftlichen Literatur aufgrund ihres
generationsspezifischen Erlebens der Transformation eine besondere Eigenschaft
attestiert wird, nämlich die sogenannte „Transformationskompetenz“. Es handelt
sich um die Frauen* der sogenannten dritten Generation Ost.
Für diese bietet das Frauenstadtarchiv verschiedene Workshops an,
die es den Zeitzeuginnen* ermöglichen sollen, selbstermächtigend auf ihre
transformationsspezifischen Erfahrungen zu reflektieren und ein Bewusstsein zu
erlangen für die daraus resultierenden Kompetenzen. Aus dem entstandenen
Material werden die Mitarbeiterinnen* des Frauenstadtarchivs, Maren Jung und
Susanne Salzmann, später zusammen mit der Theaterpädagogin* und
Politikwissenschaftlerin* Elisa Moser eine interaktive Performance entwickeln,
die diese Kompetenzen sicht- und fruchtbar machen soll für aktuelle
Transformationsprozesse in Wirtschaft und Gesellschaft. Denn: „Wenn es dieser
Generation gelingt, die Kraft ihres kollektiven Erbes als Handlungsgrundlage zu
nutzen, wird ihr gesellschaftlicher Beitrag künftig nicht mehr wegzudenken
sein.“ (Adriana Lettrari)
Das Frauenstadtarchiv sucht daher 2019 laufend Zeitzeuginnen*,
die ihre Kindheit in der DDR und ihre Jugend in der BRD erlebt haben und Lust
haben, ihre Erfahrungen dazu in einem oder mehreren Workshops zu teilen. Die
Zeitzeuginnen* werden gebeten, ein Foto mitzubringen oder etwas, das sie an die
Wendezeit erinnert.
Termine der Workshops im FrauenBildungsHaus
Dresden, Oskarstr. 1, 01219 Dresden:
11.05.19, 14-18 Uhr | 25.05.19, 14-18 Uhr | 07.06.19, 17-21 Uhr | 08.06.19, 14-18 Uhr (entfällt) | 21.06.19, 17-21 Uhr | 05.07.19, 17-21 Uhr
Am 23.08.19 (entfällt) und 24.08.19, 11-18 Uhr | in Kooperation mit SEBIT
23.11.19, 10-16 Uhr | Schreibworkshop mit Bettina Melzer (Schreibpädagogin M.A.*)
Anmeldungen
bitte unter: frauenstadtarchiv@frauenbildungshaus-dresden.de
Die Aufführungen der Performance „(L)ost in Transformation“ sollten im Herbst 2019 stattfinden, mussten jedoch aufgrund von Krankheit abgesagt werden.
Ausgewähltes Material, das in den Workshops von den Zeitzeuginnen* produziert wurde, können Sie hier einsehen: Broschüre: L(O)st in Transformation