Die Diffamierung als Hexe und ihr Kontext
Fiel frau im Mittelalter und der frühen Neuzeit zu offensichtlich aus dem gesellschaftlichen Rahmen, war man(n) sich schnell einig: Die ist mit dem Teufel im Bunde. Die Diffamierung als Hexe konnte jedoch schnell tödliche Konsequenzen für die Beschuldigte nach sich ziehen: Hexenverbrennungen gehören zum gängigen Mittelalterbild wie das Amen in der Kirche.
Dabei hat sich die Vorstellung von Zauberei und deren Strafverfolgung in den Jahrhunderten stark verändert.
Im Mittelalter herrschte vor allem das geschlechtsunabängige Bild der vereinzelten Person mit besonderen Fähigkeiten vor, der sogenannten „klugen Frau“ oder dem Drudner, die mit ein wenig magischem „Hokuspokus“ Schaden- oder Heilzauber vollbringen konnte. In der Phase entstand zwar das Sanctum Officium, die Inquisition zur Einhaltung der römisch-katholischen Glaubens- und Sittenlehre, bei den großen Hexenverfolgungswellen spielte sie jedoch eine eher untergeordnete Rolle.
Denn erst in der frühen Neuzeit ab dem 15. Jahrhundert festigte sich die Vorstellung der sich beim Hexensabbat treffenden, dem Teufel huldigenden, auf Besen reitenden Geheimsekte, die der Menschheit nur Schlechtes zaubere. Einen großen Anteil daran hatte das von dem Theologen Heinrich Kramer veröffentlichte Malleus maleficarum. Im als auch Hexenhammer bezeichneten Handbuch für Hexenprozesse werden Hexen und Hexerei definiert und Regeln für Verhöre und Folterpraktiken festgelegt. Im Hexenhammer äußert sich ganz klar die Misogynie der christlichen Kirche. Hexerei wird nun ganz klar mit Frauen in Verbindung gesetzt, denn sie seien ein rein notwendiges Übel, zum reinen Glauben nicht fähig und bereits in der Genese dem Mann unterstellt. Das führte dazu, dass im mitteleuropäischen Raum Frauen circa 80% der Opfer von Hexenverfolgungen ausmachten. In Dresden etwa gab es bei 37 Prozessen zwar 12 männliche Angeklagte, allerdings waren alle der 9 zum Tode Verurteilten Frauen.
Insgesamt häuften sich zu der Zeit europaweit regionale Krisenphänomene wie Hungersnöte. Interessant ist hierbei folgendes Klimaphänomen: der Übergang von der mittelalterlichen Warmzeit zur Kleinen Eiszeit ab Mitte des 15. Jahrhunderts. Diese (über-)lokalen Krisen lösten europaweit mehrere Wellen der Hexenverfolgungen aus, der schätzungsweise insgesamt 30 bis 50.000 Menschen zum Opfer fielen. Zu dieser Zeit wurden die Hexenprozesse vorrangig von weltlichen Gerichten geführt. Vom Leipziger Schöppenstuhl etwa sind heute 72 Todesurteile erhalten. (Quelle: Mai, Melanie: Ein Hexereiprozess im höfischen Milieu. Der Fall der Sophia von Taubenheim (1585) im Kontext der Hexenverfolgung in Kursachsen. Dresdner Hefte 107. Dresden 2011. S.19f.)
In Dresden sind heute 37 Hexenprozessen nachweisbar. Vier der Frauen wollen wir hier vorstellen:
Sophia von Taubenheim, geb von Zaschnitz (*unbekannt; +23. Juli 1585):
Am 19. April 1585 erhielt Kurfürst August einen Brief von seinem Rat, in dem Sophia von Taubenheim der Zauberei, Hurerei und Dieberei beschuldigt wird. Die Anschuldigungen gehen auf einen Dieb namens Gregor Keller zurück, der 1581 von Hofrat Hans von Taubenheim, Sophias Ehemann, gefangen genommen wurde. Ebenfalls Teil der Belastungskette war der Bauer Paul Rüdiger. Dessen Besitz wurde zuvor durch von Taubenheim gepfändet . Der Hofrat befand sich mit mehreren Bauern der Gegend im Rechtsstreit und war bereits 1579 am Hofe in Ungnade gefallen, wurde jedoch ein Jahr später rehabilitiert.
Bereits am nächsten Tag wurde der Haftbefehl gegen Sophia von Taubenheim erlassen. Am 24. Mai erfolgte auf der Meißner Albrechtsburg die erste „gütliche“ Befragung, in der sie, ebenso wie in der zweiten am 30. Juni in Dresden, kein Geständnis ablegte. Schon am 01. Juli wurde sie bereits der „peinlichen“ Befragung unterzogen und gestand unter Folter, was ein sofortiges Todesurteil nach sich zog. Sophia wiederrief zwar, doch die Aussagen ihrer Mitangeklagten führten zu einer erneuten „scharfen“ Folter. Hans von Taubenheim versuchte in einem Bittgesuch, die Glaubwürdigkeit der Zeugen, vor allem die des Kilian Keller, in Frage zu stellen. Der Sohn des Diebes Gregor Keller, behauptete während einer Befragung, Sophia und ihre Komplizin hätten ein Stück der Kleidung des Kurfürsten mit Kräutern unter Murmeln unverständlicher Worte in einen Topf geworfen, um sich des Kurfürsten zu entledigen. Der Umstand, dass August tatsächlich während des Prozesses erkrankte, belastete die beiden Frauen zusätzlich.
Eine Verurteilung wegen Hexerei konnte durch das fehlende Geständnis nicht erfolgen, man richtete sie schließlich wegen Ehebruchs. Am 23. Juli 1585 starb Sophia von Taubenheim am Dresdner Altmarkt durch das Schwert.
Quelle: Mai,Hexenprozesse S.14-18.;SächsHSTA DD: LOC 9690; 9691; 9718/7
Heidine Wiedemann (*unbekannt; +20. Juli 1585):
Heidine Wiedemann ist eine sogenannte „kluge Frau“ und als Komplizin Mitangeklagte im Hexenprozess der Sophia von Taubenheim. Brosius Heintzschel identifiziert sie, als die Zauberin, die er Sophia nach Anfrage vermittelt hätte. Ihr Geständnis und ihre Aussage, sie habe gegen Bezahlung für Sophia von Taubenheim gezaubert, führte auch zu deren Verurteilung. Ihre Rolle in dem Vorfall ist nicht ganz greifbar: Warum wurde eine aus der Gegend um Pirna stammende Frau in diese Anschuldigungen, die sich klar gegen das bei den Bauern unleidliche Ehepaar von Taubenheim richteten, involviert? Sie wurde am 20. Juli 1585 am Wilsdruffer Tor verbrannt.
Quelle: Mai,Hexenprozesse S.14-18.;SächsHSTA DD: LOC 9690; 9691; 9718/7
Anna Schneider (*unbekannt; +02. Januar 1520):
Anna Schneider stammte aus Pretschendorf (heute ein Ortsteil von Klingenberg). Zunächst soll durch Pastor Primarius D. Eisenberg ein Incubus (männlicher Dämon, der sich nachts unbemerkt mit schlafenden Frauen paart) von ihr getrieben wurden sein. Zwei Tage später wurde sie am „Montag nach Christi Beschneidung“ (fällt im Jahr 1520 auf den 02. Januar) in Dresden als Hexe vebrannt.
Quelle: Lindau, Martin: Geschichte der königlichen Haupt- und Residenzstadt Dresden. von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart. Dresden 1885. S. 271.
Ursula Margarete von Neithschütz (*1650; +1713):
Ursula Margarete von Neithschütz war die Mutter der Magdalena Sibylla von Neitschütz (*08. Februar 1675; +04. April 1694), der Mätresse des Kurfürsten Johann Georg IV. Magdalena wurde am 04. Februar 1693 gar zur Reichsgräfin von Rochlitz erhoben. Johann Georg IV. schenkte ihr unter anderem das Rittergut Pillnitz und das Fürstenbergsche Haus.
Im Herbst desselben Jahres erkrankte sie schwer, und verstarb am 04. April 1694 mit 19 Jahren. Als offizielle Todesursache gelten die Pocken, allerdings ist für diese Zeit in den Seuchenakten kein Pockenausbruch verzeichnet. Auch der Kurfürst verstarb wenige Wochen später am 27. April. Heute vermutet man eine Vergiftung der beiden.
Bereits am 30. April ließ der neue Kurfürst Friedrich I.(August der Starke) jedoch Magdalena aus der Hofgruft entfernen und zog sämtliche Schenkungen an die Mätresse zurück. 3 Wochen später wurde Ursula Margarete schließlich unter der Bewachung von 4 Mann im Quatemberstübchen im Dresdner Rathaus festgesetzt. Der Vorwurf: Sie solle erst den Kurfürst verzaubert haben, damit er sich in ihre Tochter verliebt und dann solle „der so betrübte Tod des Churfürsten durch allerhand böses Beginnen und boshaftes Vornehmen gottloser Leute veranlaßt worden“ sein. Während der Vernehmungen wurde sie mit Daumenschrauben gefoltert, aber nach 15 Monaten Haft in die Verbannung „entlassen“. Nicht nur gegen sie, sondern gegen das gesamte Umfeld der Familie Neithschütz, fast 100 Personen, wurde prozessiert. Das Motiv des Kurfürsten ist eindeutig: die äußerst großzügigen Schenkungen zurückbekommen um die eigene finanziellen Lage zu verbessern. Welchen Vorteil jedoch Ursula Margarete aus dem Tod der beiden ziehen sollte, ist unklar.
Quelle: Lindau, Dresden. S. 511-513.