Menstruation und Verhütung – Ein historischer Abriss

Menstruation und Verhütung – Ein historischer Abriss (Sarah Thomas)

Im Jahr 2022 haben Menstruierende, zumindest theoretisch[1], eine Fülle an Perioden- und Verhütungsprodukten zur Auswahl. Ob Tampon, Tasse und Menstruationsunterwäsche oder Pille, Spirale und NFP[2], wir haben frei nach unserem Geschmack und unseren selbstbestimmten Kriterien die Wahl zwischen den verschiedensten Produkten, das Thema Menstruation und weibliche* Sexualität wird immer offener besprochen und darüber aufgeklärt.

Die Geschichte des Tabus

„Die Geschichte der Menstruation ist eine Geschichte voller Missverständnisse“, hieß es in einer Tamponwerbung in der 1990er Jahren. Vor allem ist es jedoch eine Geschichte voller Unwissen, Scham und Frauen*feindlichkeit. Weiter heißt es in diesem Werbespot: „Damit die Regel sauber und diskret abläuft.“ Doch warum darf niemand wissen, dass ich gerade menstruiere? Warum ist dieses Thema so tabuisiert? Ich soll doch als Frau auch Kinder bekommen, dafür muss ich nun mal auch meine Periode haben. So läuft das eben bei uns Primaten.

Kulturgeschichtlich ist diese Tabuisierung bereits in der Antike festzustellen. Schon die Tora beziehungsweise das Alte Testament besagte: „Wenn eine Frau ihren Blutfluss hat, so soll sie sieben Tage für unrein gelten. Wer sie anrührt, der wird unrein bis zum Abend. Und alles, worauf sie in dieser Zeit liegt, wird unrein und alles, worauf sie sitzt, wird unrein.“[3] Dieses Tabu steigert sich in der Genesis zu seiner vollen biblischen Misogynie: Erst lässt sich die Frau durch die Schlange verführen, vom Baum der Erkenntnis zu essen, und dann stürzt sie auch ihren Mann mit ins Verderben. Schuld an allem ist also die Frau. (Diese Verführung in der Genesis ist auch das Hauptargument der Hexenjäger, warum vor allem Frauen den Teufelspakt als Hexen eingehen sollen; sie sind einfach leichter zu verführen.) Die Menstruation war also die Kollektivstrafe aller Frauen für den Sündenfall Evas.[4] Wegen der ganzen Sache mit der göttlichen Empfängnis und der jungfräulichen Geburt war Maria davon übrigens ausgenommen.

Diese Vorstellung von Unreinheit hat sich nicht nur lange Zeit in den Praktiken vieler Religionen manifestiert, denn weder im Hinduismus, Islam oder Judentum dürfen Menstruierende einen Tempel betreten und im Christentum dürfen Frauen* gleich gar nicht geweiht werden, da sie sonst die Messe verunreinigen würden. Auch im alltäglichen Aberglauben hat sich diese Idee zu teils absurden Vorschriften entwickelt. So sollten Frauen* auf Grund von Menotoxin, einem angeblichen Menstruationsgift, während ihrer Periode keine Sahne schlagen, Bier brauen, Gemüse einkochen, schlachten, Setzlinge einpflanzen oder, in jüngerer Vergangenheit, sich eine Dauerwelle legen lassen. Selbst im Internet finden sich noch immer derlei „Weisheiten“.[5] Warum diese „Unreinheit“ kein Problem per se, sondern eine Folge der Umstände ist, dazu später im Text.

Aufsaugen und Auffangen – die Geschichte der Monatshygiene

Bereits in der Antike haben Menstruierende sich Gedanken über verschiedene Möglichkeiten zur Monatshygiene gemacht. Dabei gab es Methoden zum Auffangen der Blutungen im Inneren als auch Einlagen zum Aufsaugen. Die Materialien waren hierbei natürliche Ressourcen, die individuell weiterverarbeitet wurden wie mit Papyrus[6] umwickelte Holzstückchen, mit Wachs überzogene Stoffrollen oder Moosbinden. Bereits im antiken Rom gab es Baumwollröllchen, die heutigen Tampons sehr ähnlich waren.

Viele Frauen* des europäischen Mittelalters benötigten häufig deutlich weniger Menstruationsprodukte, da durch das vorherrschende katholische Ideal der großen Kinderschar („Seid fruchtbar und mehret euch“)[7] die Schwangerschafts- und Stillrate deutlich höher war. Wer doch blutete, ließ es aus verschiedenen Gründen oft „laufen“. Denn nur wenige konnten sich ausreichend textile Materialien leisten, um sie in erforderlichen Maßen wechseln, reinigen und trocknen zu können. Durch ein zu langes Tragen hätte sich jedoch die Infektionsgefahr signifikant erhöht. Entsprechend der Vier-Säfte-Lehre des Galen[8], die im Mittelalter als Grundlage der Medizin betrachtet wurde, war es unbedingt notwendig, den Blutfluss zu gewährleisten, da ein Überschuss an Blut Ursache für viele Krankheiten sei. Das Blut lief hierbei tatsächlich den Menstruierenden die Beine hinab und kam in Kontakt mit anderen Dingen, weswegen es nachvollziehbar ist, warum sie vom Traubentreten zur Weinproduktion ausgeschlossen waren, zumal es Epochen gab, in denen Baden verpönt war.

Lange änderte sich nicht viel an den Periodenprodukten, die zur Verfügung standen. Es wurde weiterhin viel improvisiert und binden- oder tamponähnliche Hilfsmittel aus Stoffen, wie Baumwolle und was sonst noch so zur Verfügung stand, selbst hergestellt. Erst ab dem 19. Jahrhundert kam Bewegung in die Periodenprodukte. Verschiedene Fabriken produzierten Einwegbinden (oder ähnliches) aus unterschiedlichen Rohstoffen, zum Beispiel aus Holzwolle oder Torfmoos. Im Jahre 1893 etwa ließ die Stuttgarter Firma Teufel ihren „Dianagürtel“ patentieren, einem Ledergürtel, in dem zusätzliche Wechseleinlagen eingefügt wurden.

Abb. 1: Diana-Gürtel der Firma Teufel Illustrierter Haupt-Katalog 1911; Wilh. Jul. Teufel; gemeinfrei

Bequem war sicherlich etwas anderes. Amerikanische Arbeiterinnen* trugen, wenn sie ihre Periode hatten, unter dem Rock eine aus Gummi und Stoff genähte Schürze, die verhindern sollte, dass Blut zur Oberbekleidung durchdrang und während des Ersten Weltkrieges entdeckten Sanitäterinnen*, dass, überraschenderweise, Verbandsmaterial dazu geeignet ist, Blut zu absorbieren. Die Firma Kimberly-Clark kaufte nach Kriegsende Restbestände von Verbandsmaterial auf und brachte 1921 Einwegbinden auf den Markt, die mit Sicherheitsnadeln an sogenannten Monatsgürteln befestigt wurden. Obwohl auch dies kaum als angenehm bezeichnet werden konnte, hielten sie sich bis in die 1970er-Jahre. 1929 wurde der erste Tampon mit Rückholbändchen beim Patentamt angemeldet.

In den letzten Jahren hat vor allem das Angebot an Mehrwegprodukten enorm zugelegt, da Nachhaltigkeit für immer mehr Kundinnen* eine entscheidende Rolle spielt. Die Werbung dieser Produkte erfolgt mittlerweile auch enttabuisierter und ohne türkise Flüssigkeit. Deshalb war auch die Aufregung rund um die „Pinky Gloves“ nur temporär: rosa Handschuhe, die die Menstruation und die Entsorgung der Hygieneartikel noch diskreter hätten machen sollen. Nach dem Aufschrei empörter Frauen* in den sozialen Medien nahmen die männlichen* Unternehmensgründer ihr Produkt schleunigst wieder vom Markt. Mit der Begründung, sie hätten zu keiner Zeit einen natürlichen Prozess tabuisieren wollen.

Verhütung von damals bis heute

Ein Thema war (und ist) in manchen Orten der Welt jedoch noch unaussprechlicher als die Menstruation: Geschlechtsverkehr, der nicht zur reinen Fortpflanzung diente. Womöglich auch noch außer- oder vorehelich. Und dann auch noch als Frau*. Dennoch – oder gerade deshalb – gab es eine große Bandbreite an Verhütungsmethoden, deren kontrazeptive Wirksamkeit jedoch größtenteils zumindest höchst fragwürdig bleibt.

Die verschiedenen Herangehensweisen können in magische, natürliche und mechanische Methoden eingeteilt werden. Bei ersterer sollte mithilfe von Amuletten (oft mit Teilen von Tierkadavern), Edelsteinen und das Aufsagen von Sprüchen eine Schwangerschaft verhindert werden, dies war natürlich nutzlos. Etwas vielversprechender waren da schon antike Anwendungen wie das Einführen von Krokodil-Dung in Ägypten oder von in Salzlake, Honig oder Essig getränkte Schwämmchen in Griechenland und Rom. Dadurch wurde das Scheidenmilieu so weit verändert, das eine Empfängnis in gewissen Maßen erschwert wurde.[9] Bereits im Altertum aber auch im Mittelalter war die Einnahme verschiedener Tränke und Tinkturen gängig, etwa dem Saft des Sadebaums (einer Wacholdersorte), Mutterkorn, den Blättern der Trauerweide oder Kupfererzkonzentrat. Diese Mittelchen haben sicherlich zum Teil ihren Zweck erfüllt, vor allem abortiv sind sie wohl sehr effektiv gewesen und sind deshalb vor allem von Prostituierten angewendet worden. Sie waren jedoch hochgiftig und so manch eine Anwenderin* hat dies wohl mit dem Tod bezahlt.[10]

Zu den mechanischen Methoden lassen sich sowohl verschiedene Sexualpraktiken zählen, die eine Schwangerschaft verhindern konnten, wie etwa Anal- oder Oralverkehr. Der berühmte Coitus interruptus, bestimmte Stellungen oder Verkehr während der Menstruation sind wohl bekanntermaßen eher unzuverlässige Praktiken und solche Tricks wie Scheidenspülungen, Hüpfen und Nießen nach dem Verkehr, waren und sind einfach nur nutzlos!

Auch Kondome zählen zu den mechanischen Methoden und die gibt es schon länger als mensch vermuten könnte. Schon König Minos soll sie genutzt haben. Während sie dann für sehr lange Zeit aus Schafsdärmen, Fischblasen oder Seidenpapier produziert wurden, aber weder erschwinglich noch in ihrer Wirksamkeit mit denen heute vergleichbaren waren, kamen 1870 die ersten aus Gummi und schließlich 1930 aus Latex auf den Markt.[11]

Abb. 2: Kondom aus Tierdarm mit Seidenbändern, Anleitung in lateinischer Sprache 1813; Lund University Historical Museum; (CC BY-SA 3.0 MatthiasKabel)

Vor allem die Antibabypille im Jahr 1960 stellte für Frauen* einen immensen Meilenstein für eine selbstbestimmte Sexualität dar und ist für die damalige Zeit als revolutionär anzusehen. Heute wird sie aus verschiedenen Gründen durchaus kritisch betrachtet:

Auch nach vielen Jahren der Forschung steigt durch die Einnahme der Pille, je nach verwendetem Gestagen, deutlich das Risiko einer Thromboseerkrankung[12]. Weitere Nebenwirkungen wie Migräne, Gewichtszunahme, Zunahme der Risiken für Krebs- und Gallenblasenerkrankungen, Schlaganfall und Herzinfarkt und Auswirkungen auf Libido und psychische Gesundheit[13] sind keinesfalls auf die leichte Schulter zu nehmen und nicht mit einer Verbesserung des Hautbildes aufzuwiegen. Die Kosten, sowohl die gesundheitlichen als auch die finanziellen, und die Verantwortung für die Verhütung bleiben hierbei gänzlich der Frau* überlassen. Eine vergleichbare Alternative für den Mann* ist von einer Marktreife noch weit entfernt.[14]

Natürlich gibt es noch andere Verhütungsmittel, beispielsweise Diaphragma, Verhütungspflaster, Femidom, Hormon- und Kupferspirale. Doch alle haben neben ihren Vorteilen auch deutliche Nachteile und sind nicht für jede* geeignet.

Es hat sich also in den letzten Jahrhunderten sehr viel beim Thema Verhütung getan, doch die perfekte Lösung für alle, die fehlt (noch).

 


[1] 500 Millionen Menstruierende weltweit haben keinen Zugang zu Menstruationsprodukten, weil sie die erforderlichen Mittel nicht aufbringen können. Dieses Phänomen, Periodenarmut genannt, betrifft aber nicht nur Länder des globalen Südens. Auch in Deutschland sind Menschen davon betroffen.

[2] NFP steht für Natürliche Familienplanung: Hierbei werden über das Messen der Basaltemperatur und Beobachten des Zervixschleims die (un-)fruchtbaren Tage bestimmt.

[3] 3 Mos 15:19f.

[4] Vgl. 1 Mos 3:16.

[5] Vgl.: URL: https://www.gutefrage.net/frage/waehrend-der–menstruation-soll-man-keine-dauerwelle-machen-lassen (aufgerufen am 18.10.2022).

[6] Mit dem Thema Menstruation und Frauengesundheit im antiken Ägypten hat sich Petra Habiger ausführlich auseinandergesetzt: URL: http://www.mum.org/neues5.htm (aufgerufen am 13.10.2022).

[7] 1 Mos 1:28.

[8] Nach dieser Theorie müssen für einen gesunden Körper Blut, gelbe Galle, schwarze Galle und Schleim ausgeglichen sein und alle Krankheiten würden aus deren Missverhältnis entstehen.

[9] Vgl.: URL: https://www.muvs.org/de/themen/verhuetung/wie-frauen-in-der-antike-verhueteten/ (aufgerufen am 11.10.2022).

[10] Vgl.: Berthold Hegner: Abtreibung und Verhütung im Mittelalter. Das neue Körperbild aus theologischer und medizinischer Sicht im späten Mittelalter (Studienarbeit, Romanistik), Berlin 2001. S. 21-24, URL: https://www.grin.com/document/102153 (aufgerufen am 11.10.2022).

[11] Vgl.: URL: https://www.fem.com/liebe-lust/die-geschichte-des-kondoms-uralte-verhuetungsmethode (aufgerufen Zugriff am 11.10.2022).

[12] Vgl.: URL: https://www.zavamed.com/de/pille-thrombose.html (aufgerufen am 18.10.2022).

[13] Vgl.: URL: https://www.carenity.de/informationen-krankheit/magazin/aktualitaten/frauengesundheit-was-sind-die-unbekannten-nebenwirkungen-der-antibabypille-782 (aufgerufen am 20.10.2022).

[14] Vgl.: URL: https://www.zavamed.com/de/pille-fuer-den-mann.html (aufgerufen am 20.10.2022).